Die Raiffeisen-Gruppe bleibt im Hoch. Im Herbst profitierten die Genossenschaftsbanken auch von den Problemen der Credit score Suisse. Ein bisschen zumindest.
Die Schweizer Raiffeisenbanken machten 2022 da weiter, wo sie 2021 aufgehört hatten: mit einem weiteren Gewinnrekord. Die Raiffeisen-Gruppe hatte 2021 erstmals die Milliardengrenze beim Gewinn geknackt. Nun schraubte sie diesen nochmals um 11 Prozent nach oben, auf 1,18 Milliarden Franken, wie sie am Donnerstag mitteilte.
Einerseits profitierte Raiffeisen wie alle Inlandbanken von den steigenden Zinsen; die Zinsmarge erhöhte sich 2022 erstmals seit Jahren wieder, von 0,89 auf 0,92 Prozent. Anderseits setzen immer mehr Raiffeisen-Kunden auf die Anlage- und Vorsorgelösungen der Financial institution, was die Gebühreneinnahmen sprudeln lässt.
Zurückhaltung bei der ehemaligen Bauernbank
Eine treibende Kraft bleibt das Hypothekargeschäft. Die Raiffeisenbanken hatten Ende 2022 zum ersten Mal mehr als 200 Milliarden Franken an Hypothekarkrediten ausstehend. 204 Milliarden Franken, um genau zu sein, ein Plus von 3,7 Prozent zum Vorjahr. Damit kann sie ihren Marktanteil aber nur ungefähr halten, wie die Zahlen der Schweizerischen Nationalbank zum gesamten Hypothekarmarkt zeigen.
Während die Grossbanken bei der Hypothekenvergabe stagnieren, ziehen die Kantonalbanken an Raiffeisen vorbei: Um 5,1 Prozent haben sie die Ausleihungen ausgebaut. Und zwar im ganzen Land. Die Thurgauer Kantonalbank steigerte das Volumen ihrer Hypothekarkredite zum Beispiel um 6,4 Prozent, die Luzerner Kantonalbank um 5,8 Prozent.
Für die Raiffeisen-Spitze kein Grund zur Beunruhigung, sondern weiterhin Teil der Strategie, wie Heinz Huber, der CEO von Raiffeisen Schweiz, sagt. Man will im Hypothekarbereich nicht mehr stärker als der Markt wachsen. (In der Ära Vincenz battle dies in manchen Jahren noch ganz anders, und die Raiffeisenbanken zogen allen anderen davon.)
2022 verhielt sich der Schweizer Immobilienmarkt zwar sehr eigenartig: Obwohl die Zinsen in der Schweiz deutlich stiegen, was eigentlich preisdämpfend wirken sollte, nahmen die Preise für Einfamilienhäuser um 7,3 Prozent und für Eigentumswohnungen um 5,6 Prozent zu. Wie die Ökonomen der Credit score Suisse (CS) am Mittwoch festhielten, hat sich die Nachfrage nach Häusern wegen der höheren (Zins-)Kosten zwar abgeschwächt.
Aber noch immer übersteigt sie vielerorts das knappe Angebot sehr deutlich. Huber sieht denn auch – wie andere Immobilienexperten – derzeit keinerlei Anzeichen für einen bevorstehenden Preiszerfall am Immobilienmarkt. Bisher hat die Raiffeisengruppe ihr Kreditausfallrisiko jedenfalls intestine im Griff. Die Wertberichtigungen bleiben stabil auf sehr tiefem Niveau.
25 Milliarden Franken oder 12 Prozent des Totals ihres Hypothekarvolumens hat die Raiffeisen gemäss eigenen Angaben dabei im «purchase to let»-Phase vergeben. In diesem Modell kauft jemand eine Wohnung oder einen ganzen Wohnblock und vermietet diese dann weiter. «Purchase to let» galt in der Negativzinsära als praktische Wertanlage, sichere Mieteinnahmen standen sehr geringen Finanzierungskosten gegenüber. Mit der Zinswende hat das jedoch abrupt geendet; auch bei Raiffeisen nahm die Nachfrage deutlich ab, wie der Bankchef Huber erläuterte.
Mehr Hypotheken als Kundengelder
Die Kundeneinlagen konnten 2022 mit den -ausleihungen nicht ganz mithalten, sie stiegen bei Raiffeisen um 1,5 Prozent auf 205 Milliarden Franken. Ein Grund für das verlangsamte Wachstum dürfte gemäss dem Finanzchef Christian Poerschke sein, dass die Kundinnen und Kunden ihre Gelder zusehends vom Konto nehmen und in Vorsorge- und Anlagedepots investieren. Raiffeisen flossen 2022 wiederum netto rund 4 Milliarden Franken an Depotvermögen zu.
Das ist aus Sicht der Bankengruppe erwünscht, verdient sie damit doch deutlich mehr an Gebühren als mit Sparbüchern. Der Erfolg aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft stieg denn auch um über 10 Prozent auf 593 Millionen Franken und trug stark dazu bei, dass die Raiffeisengruppe ihrem erklärten Ziel näherkommt, die grosse Abhängigkeit vom Hypothekargeschäft zumindest ein bisschen zu verringern.
Das verlangsamte Wachstum der Kundeneinlagen hat einen weiteren Effekt. Um weiterhin so fleissig Hypothekarkredite zu vergeben, muss sich die Bankengruppe nun zusehends nach anderen Finanzierungsquellen umsehen. Wegen der Finanzstärke der Financial institution ist das derzeit kein Drawback. Es markiert aber doch einen Bruch zum alten Courant regular, als die Raiffeisen die Wohnträume ihrer Kundschaft praktisch allein aus deren Kontoguthaben finanzieren konnte.
«Unser Refinanzierungsgrad beträgt 95 Prozent, das ist ein sehr gesundes Verhältnis», sagt Huber. Die restliche Finanzierung könne man sich problemlos über Pfandbriefdarlehen oder Anleihen beschaffen. Eine gewisse Diversifikation der Finanzierungsquellen böte zudem auch Vorteile; Huber verweist etwa auf die zurückliegende Negativzinsperiode, als Pfandbriefdarlehen zeitweise negativ rentierten. Eine solide Schuldnerin verdiente additionally sogar Geld damit, dass sie Schulden aufnahm.
Profitieren von der Schwäche der Credit score Suisse
Mit einem Wachstum der Kundeneinlagen von 1,5 Prozent liegt die Raiffeisengruppe zwar unter Konkurrentinnen wie der Migros Financial institution (+5,3 Prozent), aber doch klar über dem schrumpfenden Markt. Vor allem die Grossbanken gaben gemäss SNB-Statistik Terrain ab (–9,5 Prozent Rückgang der Kundeneinlagen im Inland). Die Frage liegt da nahe, ob auch die Raiffeisen von der Krise der Credit score Suisse profitieren konnte.
Übers ganze Jahr gesehen habe man keine Auffälligkeiten festgestellt, sagt der Bankchef Huber. Aber: «Wir haben im Oktober und November vermehrt Kunden von der Credit score Suisse begrüssen dürfen.» Genau zu dieser Zeit durchlebte die Grossbank eine akute Vertrauenskrise.
Was laut Huber ebenfalls vorkam: Kunden, die sowohl bei der Raiffeisen als auch bei der CS ein Konto haben, verschoben Geld zur Genossenschaft. Offenbar fand im Herbst additionally auch in der Schweiz (in kleinerem Ausmass) das statt, was bei den reichen Privatkunden der CS weltweit passierte: Kunden hielten ihre Bankbeziehung mit dem Institut in der Krise zwar aufrecht, zogen aber grössere Teile ihres Vermögens ab.