Die Amerikaner zahlen enorm viel für ihre Hypotheken und Kreditkarten, erhalten von den Banken aber wenig Sparzins. Das beschert den Banken hohe Gewinne; vielleicht ein letztes Mal.
Wie machen das die Amerikaner bloss? Das fragen sich Europas Banker seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Die US-Banken traf die Krise als erstes, und doch erholten sie sich viel schneller als alle anderen, und schrieben bald wieder hohe Gewinne.
Und sie überraschen die Europäer noch immer. Seit einem Jahr rechnet man in den Vereinigten Staaten als Folge der scharfen Zinserhöhungen mit einer Rezession. Und dass im Schlepptau auch die Gewinne der amerikanischen Grossbanken schrumpfen.
Aber die Rezession lässt auf sich warten und manche Banken machen weiterhin das Geschäft ihres Lebens. Die aktuellen Quartalszahlen, welche die US-Finanzinstitute gewohnt früh bekanntgeben, bestätigen dieses Bild.
Morgan Stanley hat den Reigen der sechs grössten Banken am Mittwoch abgeschlossen; sie enttäuschte die Anleger zwar, verzeichnete aber immer noch einen Revenue von 2,4 Milliarden Greenback in der Zeit von Juli bis September. Morgan Stanley schloss vor allem mit der Investmentbank schlechter ab als im letzten Jahr, was das solide Geschäft mit den reichen Privatkunden nicht auszugleichen vermochte.
Denjenigen Banken, die ihr Geld auch mit durchschnittlich vermögenden Amerikanern verdienen, geht es aber weiterhin intestine. Sie präsentieren Zahlen, die in Europa keine Financial institution auch nur annähernd erreicht: JP Morgan hat im dritten Quartal 13,2 Milliarden Greenback an Gewinn erzielt. 7,8 Milliarden sind es bei der Nummer zwei, Financial institution of America, und immerhin 5,8 Milliarden bei Wells Fargo. Zum Vergleich: 2022 hat die UBS einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar geschrieben – im ganzen Jahr.
Die Amerikaner melden kaum mehr Konkurs an
Die US-Banken profitieren von der robusten Wirtschaft. Das hilft den Finanzinstituten im Zinsgeschäft: Die massiven Zinserhöhungen der US-Notenbank boten ihnen einen guten Anlass, ihren Kunden höhere Zinsen abzuverlangen, wenn diese Häuser auf Kredit kaufen und Kreditkartenschulden anhäufen. Für eine zehnjährige Hypothek etwa zahlen die Amerikaner inzwischen mehr als 7 Prozent Zins – Werte, wie es sie in der Schweiz seit 30 Jahren nicht einmal mehr annähernd gibt.
Die Zinsen auf den Konten, welche die US-Banken selbst ihren Kunden zahlen, stiegen zwar ebenfalls an, aber weniger stark. Die Financial institution of America gibt ihren Sparern auf zinstragenden Konten im Schnitt 2,1 Prozent, JP Morgan 2,5 Prozent. Das Phänomen kennt man nicht bloss aus den USA: Die Zinsschere ist auch in der Schweiz aufgegangen, wenn auch moderater. Den Schweizer Inlandbanken, die vor allem auf Kredite und Konten setzen, hat das aber ebenfalls eine Bonanza beschert.
Zudem gehen weiterhin verhältnismässig wenige Firmen und Privatpersonen in den USA Konkurs – das führt zu moderaten Kreditausfällen bei den Banken.
Wie lange das gute Wetter für die US-Banken noch anhält, ist eine andere Frage. JP-Morgan-Chef Jamie Dimon gab bei der Präsentation der Quartalsresultate zu bedenken, dass die derzeitige State of affairs nicht nachhaltig ist. Erstens müssen die US-Banken die guten Zinskonditionen vermehrt an ihre Kundschaft weiterreichen, damit diese nicht zur Konkurrenz abwandern. Damit dürfte auch der Gewinn aus dem Zinsgeschäft dahinschmelzen.
Die «Basel III»-Regeln stehen vor der Tür
Zweitens dürfte vielen Amerikanern irgendwann doch das Geld ausgehen. Sie konnten sich die hohen Konsumausgaben lange leisten, weil sie noch von der grosszügigen Covid-Hilfe des Staates zehrten. Damit ist nun aber Schluss. Viele haben das Vermögen wieder ausgegeben, das ihnen der Staat während der Pandemie aufs Konto gelegt hat. Die Bevölkerung spart jedenfalls kaum mehr Geld; die durchschnittliche Sparrate soll inzwischen bei unter 4 Prozent liegen.
Drittens müssen die grössten US-Banken wohl ab Mitte 2025 schärfere Kapitalrichtlinien erfüllen. Die USA setzen damit endlich die «Basel III»-Regeln für mehr Finanzstabilität, die noch auf die Erfahrung der Finanzkrise 2008 zurückgehen, vollständig um. Dies, nachdem sie die Umsetzung mehrfach verschoben haben; zuletzt wegen der Regionalbankenkrise im Frühling.
Erst 2024 dürfte bekanntwerden, welche Financial institution wie stark betroffen sein wird. Die grössten Banken warnen aber wenig überraschend schon auf Vorrat, dass unter dem Aufbau der Kapitalreserven die Kunden leiden würden, die fortan keine Bankkredite mehr bekämen. Sicher ist: Falls die US-Regulatoren hart bleiben, dürften die Gewinnmargen der Banken unter Druck geraten.
Ein kleiner Lichtblick für die Finanzinstitute ist die Aussicht, dass bald wieder mehr Börsengänge und Firmenübernahmen über die Bühne gehen könnten. In den letzten Jahren fanden davon nur sehr wenige statt, was unter den grossen Banken besonders Goldman Sachs und Morgan Stanley, aber auch JP Morgan spürten.
Die Banken hoffen jedenfalls auf eine Wiederbelebung des Marktes und darauf, dass viele aufgeschobene Offers endlich umgesetzt (und verrechnet) werden können. Diese Hoffnung tragen sie allerdings schon seit vielen Quartalen vor sich her. Die Börsengänge von Chiphersteller Arm, Lieferdienst Instacart oder von Birkenstock hinterliessen zuletzt einen zwiespältigen Eindruck. Die Gefahr besteht, dass die Flut an Börsengängen erst dann eintrifft, wenn im US-Privatkundengeschäft bereits wieder Ebbe herrscht.
Die Musik wird leiser gedreht
Zudem profitieren nicht alle sechs US-Grossbanken gleichermassen von den heutigen Verhältnissen. Citigroup kämpft weiterhin mit internen Problemen; und Bankchefin Jane Fraser hat bei der Vorstellung der Quartalszahlen angekündigt, weitere 2000 Stellen gestrichen zu haben.
Goldman Sachs wiederum leidet unter dem verfehlten und mittlerweile abgebrochenen Versuch, auch ins Geschäft mit Kleinkunden einzusteigen, und unter der andauernden Flaute im Funding Banking. Um die verärgerten Mitarbeiter (und wohl auch die Aktionäre) zu besänftigen, soll CEO David Solomon gemäss «Financial Times» mittlerweile bei seinem Lieblingshobby kürzertreten und weniger oft als DJ auflegen.
Während Goldman nach dem richtigen Monitor sucht, tanzen die anderen weiter, so lange die Get together andauert.